Wie sich Geräusche und Musik auf das Essverhalten auswirken

Musik beim Essen? In einer experimentellen Studie untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Dänemark und Finnland die Auswirkung von Stille, Hintergrundgeräuschen einer Cafeteria und Musik auf die Essgeschwindigkeit. Eines der Ergebnisse: Die Studienteilnehmenden waren in einer stillen Umgebung messbar schneller mit ihrer Mahlzeit fertig, als diejenigen, die Musik hörten.

Welchen Einfluss hat die umgebende Geräuschatmosphäre auf die Essgeschwindigkeit, die Mahlzeitengröße und auf das Vergnügen beim Essen? Diesen Fragen sind Forschende der Universität Aarhus (Dänemark) und der Universität Turku (Finnland) in einer experimentellen Studie nachgegangen. Denn: „Das Zusammenspiel von äußeren auditiven Signalen in der Ess-Umgebung und kognitiven Prozessen, etwa Ablenkung, kann die Nahrungsaufnahme beeinflussen. Doch wie, und bis zu welchem Grad diese Einflüsse wirken, ist unklar“, schreiben die Forschenden in ihrer Studie, die im März 2022 Online im Fachmagazin „Appetite“ erschien.

Die Essgeschwindigkeit kann Stoffwechsel und Gewicht beeinflussen

Mit dem Einfluss von Umgebungsreizen wie Geräuschen, Musik oder Fernsehen auf die Essgeschwindigkeit beschäftigt sich die Wissenschaft schon länger – denn dieser Einfluss kann sich deutlich auf den gesundheitlichen Zustand auswirken: So zeigten vorangehende Studien, dass Menschen, die vergleichsweise langsam essen, danach eine niedrigere Konzentration des „Hunger-Hormons“ Ghrelin im Blut aufweisen als Schnell-Esser. Das wiederum hat Auswirkungen darauf, wann sich der Wunsch nach einer nächsten Mahlzeit einstellt. Passend hierzu zeigten weitere Studien, dass Menschen, die sich als Schnell-Esser einordnen, auch häufiger von Gewichtszunahmen berichten. Langsam-Esser dagegen scheinen davon zu profitieren, dass ihr Sättigungsmechanismus durch die längere Mahlzeitendauer besser greift. Die Studienautorinnen und -autoren schließen daraus: „Zusammengefasst weisen die Ergebnisse dieser Studien darauf hin, dass Interventionen, die langsameres Essen fördern, zu einer geringeren Nahrungsaufnahme, zur Kontrolle des Appetits und der Vorbeugung von Übergewicht führen könnten.“

Das experimentelle Setting

Um herauszufinden, welchen Einfluss Geräusche und verschieden schnelle Musik auf die Essgeschwindigkeit haben und wie sie sich auf das gesamte Essvergnügen auswirken, lud das  Forschungsteam insgesamt 248 Probandinnen und Probanden zwischen 18 und 65 Jahren zu dem Experiment ein, welches in einem Cafeteria-ähnlichen Raum in einem finnischen Forschungs-Restaurant stattfand. Die Studienteilnehmenden aßen jeweils zu zehnt in diesem Raum und bewerteten ihre Erfahrungen mittels eines Tablets, welches auch die Dauer der Mahlzeit maß. Dabei wussten sie nur, dass sie in einer „multisensorischen Ess-Atmosphäre“ essen würden, aber nicht, dass es dabei nur auf die Geräusche ankam. Alle Teilnehmenden sollten zwei Stunden vor dem Experiment keine Nahrung zu sich nehmen und bekamen alle die gleiche Mahlzeit (eine reichhaltige Salatbox, dazu Brot und 250 ml Wasser).

Die Geräuschkulissen

Die Probanden wurden vier verschiedenen Geräusch-Atmosphären zugeteilt:

  • Stille, also keine Geräuschkulisse, außer die durch die Essenden entstehende
  • Cafeteria-Sound, der aus Aufnahmen von klassischen Cafeteria-Geräuschen bestand
  • Langsame Musik mit 65 bpm (beats per minute)
  • Schnelle Musik mit 160 bpm

Für die Musik wählten die Forschenden einfachen, instrumentellen Jazz aus, der populären Standards entsprach, jedoch keine bekannten Stücke enthielt. Um einen Einfluss durch verschiedene Soundtracks auszuschließen, hörten die beiden Musikgruppen jeweils denselben Soundtrack – allerdings einmal langsam mit 65 bpm, einmal schnell mit 160 bpm. Beide wurden im Vorfeld von neutralen Personen geprüft, ob die Soundtracks in den beiden Geschwindigkeiten in sich rund und stimmig wirkten.

Die Ergebnisse – mit drei Aha-Effekten

  1. Aufgrund vorheriger Studien hatte das Forschungsteam angenommen, dass eine stille Ess-Umgebung die langsamste Essgeschwindigkeit produzieren würde – dem war nicht so: Die Teilnehmer, die ihre Mahlzeit ohne Geräuschkulisse einnahmen, beendeten ihr Mahl von allen Gruppen am schnellsten. Fast gleichauf lagen diejenigen, die schnelle Musik hörten oder von der Cafeteria-Geräuschkulisse begleitet wurden. Am meisten Zeit beim Essen ließen sich diejenigen, die während des Essens langsame Musik hörten. Stille scheint also nicht unbedingt für eine entspannte Essatmosphäre zu sorgen.
  2. Auch bei ihren Annahmen zur Menge der aufgenommenen Nahrung lagen die Forscher falsch: Alle Teilnehmer aßen in etwa gleich viel. „Obwohl die bestehende Literatur darauf hinweist, dass auditive Ablenkungen während des Essens die Nahrungsaufnahme erhöhen, indem sie die Aufmerksamkeit für die Mahlzeit verringern, wurde diese Beobachtung in unserer Studie nicht gemacht,“ schreiben die Studienautorinnen und -autoren.
  3. Aufgrund der erhobenen Antworten konnten die Wissenschaftler auch einordnen, wie groß das Vergnügen für die Teilnehmenden bei ihrer Mahlzeit war, und welches Geräusch-Setting ihnen am meisten zusagte. Hier zeigte sich, dass nicht die entspannteste Ess-Atmosphäre den größten Beifall bekam: Die Teilnehmer mochten die Cafeteria-Geräuschkulisse und die schnelle Musik am liebsten. Zudem bewerteten die Teilnehmenden dieser beiden Soundgruppen ihr Vergnügen bei der Esserfahrung am höchsten, hatten also am meisten Spaß bei ihrer Mahlzeit.

 

Quelle: Signe Lund Mathiesen, Anu Hopia, Pauliina Ojansivu, Derek Victor Byrne, Qian Janice Wang: The sound of silence: Presence and absence of sound affects meal duration and hedonic eating experience, Appetite, Volume 174, 2022

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