Weihnachtszeit: Besinnlich gestresst

Besinnlich gestresst

Besonders in der Adventszeit gehen Wunsch und Wirklichkeit häufig auseinander. Statt entspannt-besinnlichem Plätzchengenuss dominiert oft Vorbereitungs-Stress die Dezemberwochen. Warum das so ist und was sich dagegen tun lässt, erklären etwa Experten der Universität Ulm.

 

Titelfoto: © JenkoAtaman/stock.adobe.com

Es ist ein alle Jahre wieder auftretendes Paradoxon: Der Stress in der ersehnt besinnlichen Vorweihnachtszeit. Wie es dazu kommt, erklärt Dr. Roberto Rojas, Psychotherapeutische Hochschulambulanz an der Universität Ulm: „Zunächst haben wir Spaß daran, Geschenke für unsere Lieben zu besorgen und das perfekte Weihnachtsfest zu planen. Kommt es jedoch durch mehrere Stressoren und Zeitdruck zur Überlastung und vernachlässigen wir Aktivitäten, die uns sonst Freude bereiten und Kraft geben, kann dies unser Wohlbefinden oder sogar unsere Gesundheit beeinträchtigen.“ Die Folgen sieht der Psychologe dann bei seiner alltäglichen Arbeit: Vor den Feiertagen treten bei Patienten vermehrt Niedergeschlagenheit, Müdigkeit oder gar Ohrgeräusche (Tinnitus) und Rückenschmerzen auf.

Auch die Strategie, den Stress der Adventszeit als notwendiges Übel der Vorbereitungen hinzunehmen und dann auf Ruhe und entspannte Erholung während und nach den Feiertagen zu setzen, ist häufig nicht von Erfolg gekrönt: „Es ist bekannt, dass ausgeprägter Stress im Körper Energie mobilisiert, wodurch wir den Stressor bewältigen können. Fällt die Anspannung ab, reagiert der Mensch nicht selten mit psychosomatischen Beschwerden“, sagt Professorin Iris-Tatjana Kolassa, Leiterin des Instituts für Klinische und Biologische Psychologie. Dazu kommt, dass Stress über einen längeren Zeitraum zu einer geringeren Frustrationstoleranz sowie zu Überlastungssymptomen führen könne.

Was bei Stress im Körper passiert

Im ersten Schritt ist Stress eine Frage der Einordnung: Nur wenn unser Limbisches System im Gehirn eine Situation als bedrohlich, überfordernd und damit als Stress einordnet, wird eine Stressreaktion in Gang gesetzt. Neben klassischen stressauslösenden Faktoren wie Zeitdruck, Lärm oder Konflikten gibt es daher auch ganz individuelle Stressoren, also Situationen, die Stress auslösen.

Hormone, die Höchstleistungen ermöglichen: Stößt unser Gehirn eine Stressreaktion an, ist das Ziel möglichst schnell eine körperliche und mentale Höchstleistung zu erreichen. Daher wird als erstes Adrenalin ausgeschüttet, das sorgt beispielsweise für eine Erhöhung von Puls, Blutdruck und Muskelspannung. Zudem wird mehr Blutzucker freigesetzt, um die Muskeln bestmöglich zu versorgen. „Etwa zwanzig Minuten nach Wahrnehmung eines Stressors beginnt die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol durch die Aktivierung der so genannten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse“, erklärt Prof. Kolassa. Auch das Cortisol trägt dazu bei, mentale und körperliche Hochleistungen abrufen zu können, zudem wirkt es entzündungshemmend.

Wieder herunterkommen: Ein wichtiger Faktor beim Abbau der Stresshormone ist tatsächlich das, was inzwischen in stressigen Momenten meist fehlt: Bewegung. Daher lohnt sich auch in der Adventszeit der schnelle Gang um den Block, wenn der Kopf raucht. Auch die abendliche Joggingrunde oder der regelmäßige Sport im Verein helfen dabei, den Stress wieder abzubauen.

Erwartungen überdenken: Was wünschen wir uns von Weihnachten?

Um Überlastungssituationen zu vermeiden, raten beide Experten dazu, von vorneherein darauf zu achten, dass der Stress in der Vorweihnachtszeit nicht überhandnimmt. Gerade Berufstätigen empfiehlt Prof. Kolassa eine gute und realistische Zeitplanung – und rät, eigene Interessen in dieser Zeit nicht zu vernachlässigen.

„Gerade in der stressigen Vorweihnachtszeit sollte man seine Energiequellen beibehalten und weiterhin Zeit für den Lieblingssport oder Treffen im Freundeskreis einplanen“, erklärt auch Dr. Rojas. Hilfreich ist ebenfalls, die eigenen Ansprüche und Erwartungen zu hinterfragen: Was macht entspannte, schöne Advents- und Feiertage für uns aus? Muss es das 5-Gänge-Menü sein, braucht es sieben selbstgebackene Plätzchensorten (wo es im Handel doch eine riesige Auswahl an Saisongebäcken in hervorragender Qualität gibt) und eine komplett neue Weihnachtsdeko für die Wohnung? Oder wäre ein kuschliger Advents-Sonntag-Nachmittag mit „3 Nüssen für Aschenbrödel“ heißem Tee und gekauften Lebkuchen womöglich viel entspannter und erinnernswerter? Dr. Rojas rät: „Weihnachten als Fest der Besinnung ist eine Chance, zur Ruhe zu kommen und zu reflektieren. Diese Haltung sollten wir auch über die Feiertage hinaus mit ins nächste Jahr nehmen, um so den Alltagsstress dauerhaft zu reduzieren.“

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