Besonders das gestaltet sich allerdings in deutschen Schulen bisher noch schwer. Wird über notwendige Kompetenzvermittlung in verschiedenen Fächern diskutiert, kommt Ernährungsbildung selten bis gar nicht zur Sprache. Zwar gibt es Bundesländer wie Baden-Württemberg, bei denen Ernährungsbildung Teil des Curriculums ist und in Fächern wie „Alltagskultur, Ernährung, Soziales“ (AES) behandelt wird. Jedoch handelt es sich dabei größtenteils um Wahlfächer, die Schülerinnen und Schüler bei persönlichem Interesse besuchen können. Verpflichtend ist Ernährungsbildung auch in diesen Bundesländern nicht. Bei anderen Bundesländern wiederum fehlt das Thema nahezu vollständig in den Lehrplänen – und das, obwohl Expertinnen und Experten sich einig sind, dass eine umfassende Ernährungsbildung von großer Bedeutung ist.
Warum Ernährungsbildung ein Muss für Lehrpläne ist
Vorbild Österreich: Dort ist Ernährungsbildung längst Teil des Lehrplans
Während Deutschland sich hier noch schwertut, hat Österreich die Bedeutung von Ernährungsbildung für Kinder und Jugendliche schon erkannt. Dies beginnt schon in der Primarstufe: In österreichischen Grundschulen wird das Thema fächerübergreifend beispielsweise im Sachunterricht aufgegriffen. In der sechsten Klasse ist das Fach „Ernährung und Haushalt“ in Realschulen dann als Pflichtfach fest im Lehrplan verankert. Dort erlernen Schülerinnen und Schüler jede Woche eine Stunde lang konkrete Ernährungskompetenzen, die ihnen auf ihrem späteren Lebensweg nachhaltig von Nutzen sein sollen.
Ein guter Anfang für das Schulsystem, der in Zukunft noch besser werden soll. Zu diesem Zweck hat das österreichische „forum. ernährung heute“ (f. eh), ein wissenschaftsbasiertes Kompetenzzentrum mit Sitz in Wien, einen Runden Tisch ins Leben gerufen, bei dem sich Expertinnen und Experten über ein Jahr lang mit Ernährungsbildung im österreichischen Schulsystem auseinandergesetzt haben. Als Teil ihrer Ergebnisse veröffentlichten sie jetzt eine Reihe von Ratschlägen und Empfehlungen, wie österreichische Schulen Ernährung zukünftig noch mehr ins Curriculum integrieren können. Dabei soll neben Theorie auch Praxis eine Rolle spielen. Unter anderem empfehlen sie dabei, Ernährungsbildung nicht nur fächerübergreifend zu gestalten, sondern auch grundsätzlich in den Schulalltag zu integrieren. So könnten Schulmensen beispielsweise nicht nur auf ein ausgewogenes Angebot an Speisen achten, sondern es den Schülerinnen und Schülern auch ermöglichen, sich ihre Portion selbst zusammenzustellen. Um der Schülerschaft die Essenszubereitung noch näherzubringen, könnte eine Schulküche dafür sorgen, dass erste praktische Erfahrungen beim Kochen gesammelt werden. Die passenden Zutaten wiederum könnten unter anderem direkt aus einem selbstangelegten Schulgarten stammen. Auch Sport soll nicht außer Acht gelassen werden: Vor allem Ganztagsschulen könnten der Schülerschaft mehr Gelegenheiten zur körperlichen Ertüchtigung ermöglichen, so die Expertenrunde.
Runder Tisch in Österreich empfiehlt Ausweitung von Ernährungsbildung auf alle Schulformen
Die Expertinnen und Experten empfehlen weiterhin, Ernährungsbildung auch aufs Gymnasium auszuweiten, sodass alle Schulformen profitieren können. Auch solle das Fach über die sechste Klasse hinaus bereits in der fünften Klasse unterrichtet werden und somit die gesamte Unterstufe umspannen. Zudem, so die Expertenrunde, wäre eine Erweiterung des Unterrichtsfaches von einer auf zwei Wochenstunden ideal. Auf diese Weise könne eine fundierte Ausbildung im Bereich Ernährung gewährleistet werden.
Die Umsetzung dieser Ratschläge bleibt nun den Schulen überlassen. Sicher ist aber, dass die Empfehlungen der Expertenrunde auch für das deutsche Schulsystem interessant sein könnten. Ob Schulküche, Schulgarten oder einfach Ernährungsbildung als Pflichtfach in der Unterstufe – es gibt viele Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler für dieses Thema zu sensibilisieren. Wichtig dabei ist unter anderem, die Kinder und Jugendlichen langfristig für das Thema zu interessieren und begeistern, um die Motivation zu erhöhen, sich auch nach der Schule noch mit dem verzehrten Essen auseinanderzusetzen. Gemeinsame Kochaktionen, aber auch qualitativ hochwertiges Lehrmaterial und gut ausgebildete Lehrkräfte können das Interesse steigern und dadurch für mehr Lernmotivation sorgen.
Experten sind sich einig: Ernährungsbildung braucht kompetente Vermittlungskonzepte
Die Vorteile von einer erfolgreichen Ernährungsbildung, die bereits in der Schule stattfindet und vermittelt wird, sind vielfältig. Ein fundiertes Grundwissen kann schon Kindern und Jugendlichen dabei helfen, selbstreflektiert über die eigene Ernährung nachzudenken und dementsprechend zu handeln. Soziale Medien, auf die viele als Informationsquelle für Ernährungstipps zurückgreifen, sind kein Ersatz für die Weiterbildung einer gut geschulten Lehrkraft in diesem Gebiet – darin ist sich auch die Expertenrunde des Runden Tischs einig. Ist das Wissen dann einmal im Kindesalter erworben, kann auch noch im Erwachsenenalter davon profitiert werden.
Die Vermittlung von Ernährungskompetenzen fehlt bisher viel zu oft in den deutschen Lehrplänen. Ein Blick ins Nachbarland Österreich zeigt, dass dies nicht so bleiben muss. Ernährungsbildung zukünftig unabhängig von Schulform ins Curriculum zu integrieren, sollte für Bildungseinrichtungen eine hohe Priorität einnehmen. Ob wie in Österreich in der sechsten Klasse oder, wie von Expertinnen und Experten empfohlen, während der gesamten Unterstufe – klar ist, dass Ernährungsbildung in deutschen Schulen mehr Aufmerksamkeit als bisher zuteilwerden sollte.
Das Konsensuspapier „Zukunft Ernährungsbildung“ mit den Ergebnissen der Gespräche beim Runden Tisch des "forum. ernährung heute" mit neun konkreten Empfehlungen für Ernährungs- und Verbraucherbildung finden Sie hier: