Schlafmangel kann zu Übergewicht und Fettleibigkeit führen

Schlafmangel kann in der Folge Übergewicht begünstigen

Ein Viertel der Deutschen klagt über Schlafstörungen und gut jeder Zehnte nimmt seinen Schlaf als nicht erholsam wahr. Ganze 80 Prozent der Berufstätigen über 35 Jahre berichten über Schlafprobleme. Ernährungswissenschaftlerin Dr. Lioba Hofmann beleuchtet das Thema „Chronobiologie, Schlaf und Ernährung“ in der Zeitschrift Ernährung im Fokus (EiF), Ausgabe 03/2020, genauer. Sie hat dafür eine Vielzahl von Studien und Untersuchungen unter die Lupe genommen.

Schlafmangel erhöht das Risiko für die Entstehung von Fettleibigkeit

Während manche vermutlich eher davon ausgehen, dass Schlafmangel als Teil des alltäglichen Stresses und somit einem gestörten Schlaf wohl zu Gewichtsabnahme führen müsste, deuten jüngere wissenschaftliche Ergebnisse offenbar eher in eine andere Richtung, zumindest für einen Teil der Bevölkerung. „In einer Metaanalyse von 153 prospektiven Studien bewirkte eine kurze Schlafdauer ein um 38 Prozent erhöhtes Adipositas-Risiko bei Erwachsenen“, schreibt Hofmann. Andere Studien kommen zum Ergebnis, dass selbst Schlafmangel im Kindesalter in der Folge das Risiko für die Entstehung von Übergewicht im Erwachsenenalter erhöhen könne. Forscher im Vereinigten Königreich legten einen Zusammenhang von durchschnittlicher Schlafdauer mit dem Body-Mass-Index (BMI), Taillenumfang und diversen Blutwerten sowie weiteren Einflussfaktoren unabhängig von der Ernährungsweise offen. „Sie konnten zeigen, dass pro zusätzlicher Stunde Schlaf der BMI um 0,46 und der Taillenumfang um 0,9 Zentimeter sank“, heißt es im Beitrag. Eine kurze Schlafdauer senkt zudem vermutlich den Energieverbrauch, da bei andauernder Müdigkeit spontane Bewegungen abnähmen und die Körpertemperatur sinke, was zu einem verringerten Grundumsatz führe. Schlafmangel scheint sich auch ungünstig auf den Appetit und die aufgenommene Nahrungsmenge auszuwirken. So bedinge zu wenig Schaf niedrige Spiegel des Sättigungshormons Leptin und hohe Spiegel des Hungerhormons Ghrelin.

Das bestätigen auch andere Wissenschaftler. Professor Dr. Jan Born und Dr. Christian Benedict vom Institut für Neuroendokrinologie an der Universität zu Lübeck beschrieben bereits im Jahr 2009 in ihrem Beitrag „Schlafmangel als Dickmacher“, veröffentlicht in der Reihe „Moderne Ernährung heute“: „Neueste Studienergebnisse zeigen, dass experimenteller Schlafentzug das Hungergefühl und die Nahrungsaufnahme während der anschließenden Wachphase steigert. Diese Effekte, die auf ein Ungleichgewicht zwischen sättigenden (anorexigenen) und Hunger auslösenden (orexigenen) Hormonen zurückgeführt werden, könnten somit unter dauerhaftem Schlafmangel die Entwicklung einer Adipositas beim Menschen begünstigen.“

„Ernährung und Schlaf beeinflussen sich gegenseitig“

Aber auch die Essgewohnheiten per se spielen offenbar eine wichtige Rolle. Schlafmangel habe eine verminderte Impulskontrolle zur Folge. Das heißt, die Fähigkeit, dem akuten Verlangen zu widerstehen, ist beeinträchtigt. Je müder man sei, desto schwerer sei es, die zeitliche Spanne zwischen erbrachter Leistung (Verzicht) und der gesundheitlichen Belohnung (in Zukunft) zu ertragen, so Hofmann. „Externe Stimuli wie stressige Situationen oder eine Fülle von vorhandenen appetitanregenden Lebensmitteln verleiten zum Überessen und zum Kontrollverlust.“  Darüber hinaus sind emotionale Esser im Erwachsenenalter in Verbindung mit Schlafdefiziten offenbar besonders anfällig für die Entstehung von Übergewicht. Zudem weichen Kurzschläfer eher vom traditionellen Mahlzeitenrhythmus am Tag ab und neigen zu unregelmäßigem Essverhalten und nächtlichen Essens-Eskapaden, schlicht weil sie wach sind. Das hat ein internationales Forscherteam im Jahr 2015 herausgefunden.

Mit Blick auf Kinder gehen andere Experten davon aus, dass ungesunde Essgewohnheiten und Essumgebungen, etwa Essen vor dem Fernseher, Fastfood oder allein essen ohne Familienmahlzeit, mit einem schlechten Schlaf einhergehen. Überdies sind grundsätzlich allzu üppige Mahlzeiten abends ohnehin eher ungünstig.

Den umfangreichen Beitrag von Dr. Lioba Hofmann können Interessierte nachlesen in der Ausgabe 03/2020 der Zeitschrift für Fach-, Lehr- und Beratungskräfte „Ernährung im Fokus“, Seiten 180 bis 187, herausgegeben vom Bundeszentrum für Ernährung.

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von apl. Prof. Dr. Gerhard Huber, Institut für Sport und Sportwissenschaft, Universität Heidelberg

 

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