Die Preisentwicklung für Rohkakao zeigt nur in eine Richtung: nach oben

Profitieren die Kakaobauern in Westafrika von den Rekordpreisen für Rohkakao?

Im deutschen Forum Nachhaltiger Kakao e. V. haben sich die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die deutsche Süßwarenindustrie, der deutsche Lebensmittelhandel und die Zivilgesellschaft zusammengeschlossen. Gemeinsam verfolgen sie als sogenannte Multistakeholder-Initiative das Ziel, die Lebensumstände der Kakaobauern und -bäuerinnen und ihrer Familien zu verbessern, die natürlichen Ressourcen und biologische Vielfalt in den Kakaoanbauländern zu erhalten und zu schützen, sowie den Anbau und die Vermarktung von nach Nachhaltigkeitsstandards zertifiziertem Kakao zu erhöhen. Im Zentrum der Arbeit stehen derzeit zwei Märkte in Westafrika: die Côte d’Ivoire und Ghana, die zusammen für etwa 55 Prozent der globalen Kakaoproduktion und für fast 80 Prozent des in Deutschland verarbeiteten Kakaos stehen. Die Initiative wurde im Jahr 2012 gegründet und ist seit dem Jahr 2014 ein eingetragener Verein.

PRO-PLANTEURS – das gemeinsame Mitgliederprojekt im Forum Nachhaltiger Kakao

Zudem: Als Teil des gemeinsamen Wirkens engagieren sich die Mitglieder im Verbund mit der Bundesregierung und dem ivorischen Kaffee-Kakao-Rat (Conseil du Café-Cacao) seit inzwischen fast zehn Jahren in einem gemeinsamen Projekt PRO-PLANTEURS in der Côte d’Ivoire. Dort sollen insgesamt 30.000 bäuerliche Familienbetriebe und ihre Kakao-Bauernorganisationen professionalisiert werden. Es soll insbesondere auch Frauen Möglichkeiten bieten, ein besseres Einkommen und eine bessere Nahrungsgrundlage für die Familien zu erzielen, um so positive Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse zu erreichen.  Nach einer erfolgreichen ersten Phase begann im Juni 2020 eine fünfjährige Folgephase. Die Projektfortschritte von PRO-PLANTEURS werden regelmäßig reflektiert und bei Bedarf angepasst. 

Zentral in der Arbeit des Forums sind also gemeinsame Bemühungen zur stetigen Verbesserung der Einkommensverhältnisse, damit alle Haushalte existenzsichernde Einkommen erreichen können. Um das zu unterstützen, haben sich die Mitglieder des Forums auf ambitionierte Ziele verständigt. Insgesamt baut die Arbeitsstrategie auf integrierte Ansätze, so dass auch Themen wie Steigerung der Produktivität, Förderung nachhaltiger und diversifizierter Anbausysteme, insbesondere von Agroforstsystemen, Erhalt von Wald und Artenvielfalt, Kampf gegen missbräuchliche Kinderarbeit, gegen Zwangsarbeit, Sklaverei und Menschenhandel oder etwa Geschlechtergerechtigkeit adressiert werden. 

Expertenveranstaltung zu existenzsichernden Einkommen auf der ISM 2025 in Köln

Schweizer Plattform für Nachhaltigen Kakao (SWISSCO). Gemeinsam mit den Partnern hatte das Forum Nachhaltiger Kakao auf der diesjährigen Internationalen Süßwarenmesse (ISM) in Köln am 03. Februar 2025 zu einer Expertenrunde zum Thema „Existenzsichernder Einkommen im Kakaosektor: Praktische Ansätze für KMU“ eingeladen. Die Veranstaltung richtete sich vor allem an kleine und mittelständische Unternehmen und war Teil des Programms zum zweijährigen Themenschwerpunkt zur Entwicklung von Strategien für existenzsichernde Einkommen im Kakaosektor.

Dieser Arbeitsschwerpunkt fällt in eine Zeit, in der der Rohkakaomarkt preislich von Rekord zu Rekord eilt. Seit Anfang des Jahres 2024 werden nahezu ununterbrochen Höchstdotierungen für Kakao erzielt – von etwas über USD 2.000,00 noch im Jahr 2023 auf gut USD 10.000,00 im ersten Quartal 2024. Im Januar 2025 erreichte die Tonne Rohkakao eine neue Allzeit-Bestmarke an den Termin- und Rohwarenbörsen in Chicago bzw. London: umgerechnet etwa USD 12.000,00. Trotz solcher Höhenflüge an den Weltmärkten scheinen gerade die Bäuerinnen und Bauern in den beiden zentralen – und vom Kakaoforum fokussierten – Erzeugermärkten Ghana und der Côte d’Ivoire nur in geringem Umfang zu profitieren. Wie kommt das? Als eine Hauptursache vermerken Expertinnen und Experten, dass die beiden westafrikanischen Märkte über staatlich regulierte Handelssysteme mit einmal jährlich für die Haupternte festgelegten Ab-Hof-Preisen (sogenannten Farm-Gate-Prices) verfügen. 

Kritische Betrachtung der Einkommensmöglichkeiten von Kakaofarmern und -farmerinnen in unterschiedlichen Märkten

Was vielen als unverständlich erscheint, ist unter anderem, warum die beiden Regierungen keine ausreichend hohe Anpassung ihrer Ab-Hof-Preise im Vergleich zu den Weltmarktpreisen umsetzen. Doch die Ermittlung des jeweiligen Farm-Gate-Prices gestaltet sich in der Côte d’Ivoire und in Ghana deutlich komplexer. So muss man verstehen, dass beide Staaten schon etwa 18 Monate vor der betreffenden nächsten Haupternte beginnen, ihren erwarteten Rohkakao schrittweise vorzuverkaufen. Es entsteht also ein Forward-Selling-Price. Der Ab-Hof-Preis wird nach diesen Systemen daher nur mit erheblicher Zeitverzögerungen angepasst. Es wird Zeit, dass sich beide Länder nun der neuen Preisentwicklung endlich anpassen.

Marktkennerinnen und -kenner jedenfalls erwarten nicht, dass auf absehbare Zeit (und sogar für Jahre) die Kakaopreise signifikant auf frühere niedrige Niveaus zurückkehren werden. Demgegenüber wird von bäuerlichen Gemeinschaften, Kooperativen und Betrieben in Lateinamerika und Asien berichtet, die in nicht-staatlich regulierten Systemen ihre Ware frei und direkt an Abnehmer ihrer Wahl verkaufen können und die offenbar von den hohen Börsenpreisen profitieren und durchaus umgerechnet USD 7.000,00 bis USD 8.000,00 pro Tonne Kakao erzielen können. Benachteiligt ein staatlich reguliertes Kakaomarktsystem also die Bäuerinnen und Bauern in den beiden marktführenden Erzeugerländern Westafrikas? Und: Wo bleibt das Geld aus dem Delta zwischen Farm-Gate-Preis samt weiterer fixer (aber im Verhältnis eher geringer) Prämiensystemen und den freien Marktpreisen? 

Ist die Zeit gekommen für eine Anpassung der Entwicklungsstrategien, um nachhaltiges Wirtschaften besser zu erreichen?

Während über diese Frage mit nicht ganz eindeutigen Antworten viel diskutiert wird, verwies der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie e. V. (BDSI), Dr. Carsten Bernoth, im Rahmen der ISM-Veranstaltung in seiner Eröffnungsrede auf die Frage: Sollten die Anspruchsgruppen in einer Plattform wie dem Kakaoforum die aktuellen Ziele, Strategien und Fragestellungen überdenken und neujustieren? Angesichts der Tatsache, dass der Wettlauf der Kakaopreise mit einem weiteren Rekordhoch in diesem Jahr (USD 12.000,00 pro Tonne Rohkakao) kein Ende zu finden scheint und die Bauern in den staatlich gelenkten Märkten Westafrikas nicht proportional oder angemessen profitieren, während die Bauern in anderen – nicht staatlich gelenkten und regulierten Märkten (z.B. in Lateinamerika oder Asien) – von diesen hohen Marktpreisen wohl hohe Anteile für sich realisieren können, stelle sich doch ganz offensichtlich die Frage, ob die gewählte Strategie zur Verbesserung der bäuerlichen Einkommen etwa in der Côte d‘Ivoire noch sinnvoll und zielführend sein könne. Der bisherige Ansatz, dass hohe Kakaopreise die Lösung seien, zeigt sich deutlich als Trugschluss.

Kakaobäuerinnen und -bauern profitieren in nicht-staatlich regulierten Märkten von hohen Kakaopreisen mehr

Christian Robin von der Schweizer Plattform für nachhaltigen Kakao (SWISSCO) zeigte eindrückliche Daten zum Vergleich der Einkommen zwischen Ghana und Peru. Demnach erzielten bäuerliche Gemeinschaften in Ghana Ende November 2024 gerade mal 26 Prozent des hohen Weltmarktpreises für Ghana-Kakao, während Bäuerinnen und Bauern in Peru nach SWISSCO-Schätzungen zu denselben Stichtagen 77 Prozent des Börsenpreises einnehmen konnten. Konkret: 3.000,00 USD vs. 8.000,00 USD. Im Hinblick auf errechnete Living Income-Benchmarks und verpflichtende Leistungen wie der zusätzlichen Zahlung einer Prämie (als sogenanntes Living Income Differential [LID], auf dessen Zahlung sich zahlreiche privatwirtschaftliche Akteure – und alle im Kakaoforum – freiwillig verpflichtet haben) ist allerdings positiv hervorzuheben, dass die Bäuerinnen und Bauern in Ghana ein Haushaltseinkommen von USD 4.330,00 pro Tonne Kakao (und somit 114 Prozent des errechneten Benchmarkwertes für 2024) erzielen konnten. Das sieht erst einmal nicht schlecht aus. Der Blick nach Peru zeigt dann wiederum, dass für die Farmer deutlich mehr geht. Während der peruanische Living Income Benchmarkwert für 2024 mit USD 8.400,00 errechnet war, konnten die Kakaobäuerinnen und -bauern ein Haushaltseinkommen von USD 19.040,00 pro Tonne Rohkakao erreichen, also 227 Prozent des Benchmarkwertes.

Quo Vadis Kakaosektor?

Folglich scheint der Weg womöglich weggehen zu müssen von projekt- und subventionsgesteuerter Entwicklungszusammenarbeit hin zu marktrealistischeren offeneren Beziehungen. Das allerdings könnte vermutlich, zumindest teilweise, eine Abkehr von den beiden weltführenden Märkten bedeuten und eine Hinwendung zu alternativen Märkten im Sinne eine Diversifizierung. Allerdings ersetzt man nicht so einfach 55 Prozent des Rohkakaovolumens aus zwei Märkten, zumal Ghana im Vergleich zu Prognosen und Erwartungen im Jahr 2024 gut 370.000 Tonnen zu wenig Kakao an den Weltmarkt geliefert hatte. Grund dafür sind laut Branchenkennerinnen und -kennern strukturelle Herausforderungen wie überalteter Baumbestand, sinkende Erträge, Ausbreitung von Erkrankungen sowie Folgen des dynamisch verlaufenden Klimawandels usw. In Ghana erschwert darüber hinaus eine galoppierende Inflation nachhaltiges Wirtschaften. Derzeit kann kein Markt – und auch kein Verbund an Erzeugermärkten – die Produktionsmengen Ghanas und der Côte d’Ivoire auch nur annähernd ausgleichen. Das kommt einem Dilemma gleich. 

Spannende Paneldiskussion beleuchtet Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf dem Fundament bisheriger Erfahrungen

Im Rahmen der ISM-Veranstaltung betrachteten sodann ausgewählte Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft und von einer standardsetzenden bzw. Zertifizierungs-Organisation vor allem pragmatische Herangehensweisen im Rahmen der bereits eingeschlagenen Wege und suchten gemeinsam nach Optimierungsmöglichkeiten. So betonte eine Schweizer Unternehmensvertreterin, dass sie nicht allein die Herausforderungen auf dem Weg zu stabilen Living Income-Werten für ghanaische Bäuerinnen und Bauern stemmen könnten. Es bräuchte den Zusammenschluss von Partnern, gemeinsames Einstehen und mehr Business-to-Business-Kunden, die bereit seien, ein Living Income verlässlich mitzufinanzieren. Auch der öffentliche Sektor müsste weiterhin Programme und Projekte finanzieren. Ein deutscher Unternehmensvertreter verwies darauf, dass es bereits eine ganze Menge freiwilliger Seitenfinanzierungen gäbe. Letztlich müsste man einen Weg finden, Knowhow über gute agrarische Praktiken, ein resilienteres Wirtschaften usw. besser zu teilen und zu verbreiten. Er nannte das „Skalierung von Wissen“. Alle Panelteilnehmenden waren sich schließlich einig, dass weiterhin an Themen wie Diversifizierung der Anbausysteme (auch für die eigene Ernährungssicherung vor Ort), teils deutlich bessere und stabilere Kakaoerträge (Verjüngung des Baumbestands, Kampf gegen Schädlingsbefall und die Ausbreitung von Erkrankungen, bessere Baumpflege und sicher komplexere vielfältigere Pflanzengemeinschaften hin zu Agroforst) sowie einer fortlaufenden Überprüfung von Werten zur Erreichung eines existenzsichernden Einkommens gearbeitet werden müsste. Der deutsche Unternehmensvertreter wünschte sich zudem mehr Zusammenarbeit der nationalen Kakaoinitiativen, etwa in Europa, eine insgesamt noch breitere Aufstellung der Multiakteursplattformen, so dass der vorwettbewerbliche Hebel vergrößert werden könne und mehr gemeinsames Handeln mit Fokus auf klare Transformationswirkungen. Sicher ist, dass insbesondere kleine und mittelständische Marktakteure mehr erreichen können, wenn sie in Koalition mit anderen Unternehmen Kräfte bündeln. Für eine bessere Nachvollziehbarkeit der Geldströme sei zudem die Offenlegung von Finanztransaktionen entlang der Lieferkette entscheidend. Die Vertreter des Zertifizierungsstandards und ein Schweizer Unternehmensvertreter verwiesen zudem klar auf die positiven Effekte von agroforstlichen Plots. Eine diversere Pflanzengemeinschaft sorge klar für breiter aufgestellte Einkommensmöglichkeiten, gesündere Farmen und helfe nachweislich, die Kakaoerträge zu stabilisieren oder gar nach oben zu ziehen. 

Klarer Arbeitsauftrag an nationale Initiativen

Unbeantwortet blieb aber letztlich die entscheidende Fragestellung, ob angesichts der hohen Weltmarktpreise von Kakao, von denen Bäuerinnen und Bauern in nicht-staatlich regulierten Märkten nicht zu profitieren scheinen, grundlegende Änderungen der bislang verfolgten Strategien notwendig sind oder werden? Auf der Bühne klar vermisst wurden Regierungsvertreterinnen und -vertreter aus den Erzeugermärkten sowie aus Deutschland oder der Schweiz. Denn eine Reihe von Herausforderungen müssten vielleicht doch stärker bi- oder multilateral zwischen den zuständigen Regierungen verhandelt werden. In jedem Fall setzte die Veranstaltung ein wichtiges Zeichen, und es entstand der positive Eindruck, dass Fragen nach Adjustierung und Anpassung des Handelns und in der Zusammenarbeit der Lieferkettenpartner klar im Rahmen der nationalen Initiativen auf die jeweilige Arbeitsagenda gehoben und dort künftig noch intensiver bearbeitet werden. 

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