Stress in der Weihnachtszeit
Achtung vor Überforderung
Eine Antwort darauf gab Dr. Roberto Rojas von der Psychotherapeutischen Hochambulanz an der Universität Ulm bereits vor gut zehn Jahren: „Zunächst haben wir Spaß daran, Geschenke für unsere Lieben zu besorgen und das perfekte Weihnachtsfest zu planen. Kommt es jedoch durch mehrere Stressoren und Zeitdruck zur Überlastung und vernachlässigen wir Aktivitäten, die uns sonst Freude bereiten und Kraft geben, kann dies unser Wohlbefinden oder sogar unsere Gesundheit beeinträchtigen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität. Weihnachtsstress kann also reale körperliche Folgen haben. Vor den Feiertagen, so der Experte, treten bei Patientinnen und Patienten vermehrt Niedergeschlagenheit, Müdigkeit oder gar Ohrgeräusche (Tinnitus) und Rückenschmerzen auf.
Weihnachtsstress als notwendiges Übel betrachten und die Entspannung einfach auf die Feiertage verschieben? Diese Strategie geht leider oft nicht auf. Professor Dr. Iris-Tatjana Kolassa, die das Ulmer Institut für Klinische und Biologische Psychologie leitet, erklärte in derselben Mitteilung: „Es ist bekannt, dass ausgeprägter Stress im Körper Energie mobilisiert, wodurch wir den Stressor bewältigen können. Fällt die Anspannung ab, reagiert der Mensch nicht selten mit psychosomatischen Beschwerden.“ Mit anderen Worten: Ist man erst einmal gestresst, tritt Entspannung nicht immer auf Knopfdruck ein.
Bewegung gegen hohen Stresslevel
Was können wir also konkret tun, um Stress abzubauen und möglichst entspannt durch die Vorweihnachtszeit zu kommen? Ein wichtiger Faktor beim Abbau der Stresshormone ist Bewegung. Das kalte Wetter kann dabei zwar manchmal nerven, sollte aber kein Hindernis sein. Die Sporttasche zur Arbeit mitnehmen und nach dem Feierabend direkt ins Fitnessstudio oder zum Vereinssport zu gehen, kann helfen, den inneren Schweinehund zu überwinden. Der Körper wird es danken: Bewegung sorgt nachweislich für Stressabbau. Wenn Zeit und Laune nicht immer fürs Fitnessstudio ausreichen, tut es oft auch eine abendliche ausgedehnte Runde um den Block. Um das durchzuhalten, kommt es auch auf gute Zeitplanung an. „Gerade in der stressigen Vorweihnachtszeit sollte man seine Energiequellen beibehalten und weiterhin Zeit für den Lieblingssport oder Treffen im Freundeskreis einplanen“, so Dr. Rojas.
Außerdem hilft es, im Vorfeld die eigenen Erwartungen klar festzulegen und auch zu hinterfragen. Was macht entspannte, schöne Advents- und Feiertage für uns aus? Muss es das Fünf-Gänge-Menü sein, braucht es sieben selbstgebackene Plätzchensorten (wo es im Handel doch eine riesige Auswahl an leckeren Adventsgebäcken in hervorragender Qualität gibt) und muss es eine komplett neue Weihnachtsdeko für die Wohnung sein? Oder wäre ein kuschliger Advents-Sonntagnachmittag mit heißem Tee und gekauften Lebkuchen womöglich um einiges entspannter? Dr. Rojas äußerte sich in der Pressemitteilung der Universität Ulm so: „Weihnachten als Fest der Besinnung ist eine Chance, zur Ruhe zu kommen und zu reflektieren. Diese Haltung sollten wir auch über die Feiertage hinaus mit ins nächste Jahr nehmen, um so den Alltagsstress dauerhaft zu reduzieren.“
Vorfreude für gute Laune
Eine gute Nachricht gibt es dann aber auch. Die Universität Rostock konnte in einer Befragung feststellen, dass die positive Stimmung während der Weihnachtszeit insgesamt ansteigt – und das trotz Stress. Vorfreude war demnach ein wichtiger Faktor für die gute Laune. Psychologen, die im Praxisalltag die euthyme Therapie bzw. die Kleine Schule des Genießens nach Dr. Rainer Lutz anwenden, wissen, dass Vorfreude nicht nur die Laune hebt, sondern auch eine Zutat für intensives Genussempfinden sein kann. Gleichzeitig merken die Experten aus Rostock an, dass die Stimmung bei denjenigen am besten war, deren To-Do-Liste an unerledigten Alltagsaufgaben schon größtenteils abgearbeitet worden war. Es gilt also: Ruhe bewahren, die eigene Zeit möglichst sinnvoll einzuteilen und dabei Hobbys und Bewegung nicht außer Acht zu lassen. Es geht letztlich darum, mit einem freundlichen Blick auf sich selbst, Selbstfürsorge zu betreiben und sich (und somit auch anderen) „ein gutes Leben einzurichten“. Dann kann eigentlich nichts mehr die gute Laune und Besinnlichkeit stören, und die Feiertage können kommen. Denn immerhin: “It’s the most wonderful time of the year!”