Ein Frau erschnuppert den Duf von Süßholz bzw. Laktritz

Dem Geruchssinn auf der Spur

Der Duft eines frisch gebackenen Kirschkuchens direkt aus dem Ofen, der wunderbare Geruch unserer Lieblingscookies, wenn wir die Packung erstmals öffnen, oder das besondere Aroma einer Tafel Zartbitterschokolade, das beim Auspacken in unsere Nase strömt: Oft beginnt das Genusserlebnis schon, bevor wir überhaupt zubeißen und probieren. Der typische, geradezu ikonische Duft von allerlei Lebensmitteln lässt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen. Natürlich isst auch das Auge mit, wenn wir etwa besonders schön angerichtete Speisen sehen. Noch entscheidender ist allerdings der häufig unterschätzte Geruchssinn. Denn was wir schmecken, wird wesentlich durchs Riechen bestimmt.

Wie stark der Geruchssinn biologisch bedingt ist, zeigen nun neue Erkenntnisse der Forschung. Ein Forscherteam der Universität Leipzig hat, in enger Zusammenarbeit mit Forschenden aus anderen Einrichtungen, eine Studie zum Thema Geruchssinn durchgeführt. Dabei mussten mehr als 21.000 Teilnehmende europäischer Herkunft in einem Geruchstest zwölf Alltagsgerüche korrekt benennen, darunter Ananas, Lakritze, Leder und Zimt. Im Anschluss wurden die Ergebnisse des Tests mit den genetischen Daten der Teilnehmenden verglichen. 

Auf dem Weg zur Entschlüsselung des „Geruchsgenoms“

In der Analyse identifizierten die Forschenden zehn genetische Regionen, die mit der Fähigkeit zur Unterscheidung von Gerüchen assoziiert sind. Besonders spannend ist, dass sieben dieser Regionen bisher völlig unbekannt waren. Ein weiteres interessantes Ergebnis: Es gibt geschlechtsspezifische Unterschiede. So kamen zwei der genetischen Regionen nur bei Frauen vor. Eine weitere verhielt sich bei Frauen und Männern unterschiedlich. Dies liegt den Wissenschaftlern zufolge daran, dass hormonelle Schwankungen den Geruchssinn beeinflussen können. Kein Wunder also, dass Schwangere Gerüche anders wahrnehmen und empfinden – und sich das Sortiment bislang positiv bewerteter Düfte und Aromen neu zusammenwürfelt. Insgesamt ist klar: Der Geruchssinn ist kein Zufallsprodukt, sondern weist einen klaren Zusammenhang mit der Genetik auf, was unser Empfinden von Gerüchen prägt.  

Schmecken ist vor allem Riechen

Dass der Geruchssinn für unseren Genuss unverzichtbar ist, betont auch die Medizinerin und Wissenschaftsautorin Ragnhild Schweitzer, gemeinsam mit ihrem Ehemann Jan Schweitzer Co-Autorin des Sachbuches Magie unserer Sinne. „80 Prozent dessen, was wir allgemein als Schmecken empfinden, ist eigentlich Riechen“, sagt die Autorin in einem Interview beim Deutschlandfunk. Sie empfiehlt, wieder mehr bewusst wahrzunehmen und so zum Beispiel bei einer Tasse Kaffee erst ein paar Sekunden lang den Geruch zu genießen, ehe der erste Schluck getrunken wird. Am besten, so Schweitzer, funktioniere das mit geschlossenen Augen. 

Wer diese Empfehlung ausprobiert, merkt schnell, dass schon kleine Veränderungen im Alltag den Genuss deutlich steigern können. Das gilt natürlich nicht nur für das morgendliche Heißgetränk, sondern auch für Süßes und Knabbereien. Schokolade etwa entfaltet ihr volles Potential erst dann, wenn man sich vor dem Verzehr einen Augenblick Zeit nimmt, um das einzigartige Aroma bewusst wahrzunehmen. Zum langsamen Genuss von Schokolade gibt es von Ragnhild und Jan Schweitzer in Magie der Sinne noch eine weitere Empfehlung: Lutschen statt kauen, lautet die Devise. Denn „wer ein Stück Schokolade gleich zerkaut und runterschluckt, anstatt es zu lutschen, lässt der chemischen Reaktion nicht genug Zeit und verliert daher viel vom Geschmack, weil sich die Aromen nicht voll entfalten können“, so die Autoren. Auch bei Knabberartikeln wie Chips spielt der Geruchssinn eine bedeutende Rolle. Wer sich die Zeit nimmt, den Duft schon vor dem ersten Biss bewusst wahrzunehmen, erlebt die Aromen intensiver. 

Zeit für mehr Genuss für mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden

Ob das Röstaroma frisch gemahlener Kaffeebohnen oder der verführerische Duft von Schokolade, eins ist klar: Der Geruchssinn ist der Schlüssel zu einem intensiven Geschmackserlebnis. Die Leipziger Studie zeigt, wie tief dieser Sinn in unseren Genen verankert ist. Den Geruch stärker in unseren Alltag zu integrieren, liegt aber in unserer eigenen Hand. Eine bewusstere Wahrnehmung von Düften und Aromen gibt selbst „einfachen“ Lebensmitteln die Chance, ihr Aroma richtig zu entfalten, und sorgt dafür, dass jede Mahlzeit und jeder Snack zum Genusserlebnis werden kann. 

Passende Anregungen gibt es auch im Genuss-Portal des BDSI: https://genuss-tut-gut.de/uebung/. Dort können sich Interessierte unter anderem dem Geruchssinn widmen, etwa beim sich Versenken in die Welt von Kräutern und Gewürzen, beim bewussten und langsamen Mörsern von ebendiesen oder etwa im Rahmen einer geradezu meditativen Schokoladen-Yoga-Übung. Nicht umsonst heißt es: Genuss ist eine natürliche Reaktion des Menschen. Wenn uns etwas gefällt oder schmeckt, wir einfach Freude daran haben, genießen wir es instinktiv. Genuss-Experten wie der Psychologe Dr. Rainer Lutz widersprechen seit vielen Jahren der Geringschätzung von Genuss. Es macht also Sinn, wenn wir dem Geruchssinn deutlich mehr Aufmerksamkeit schenken. Immerhin hat uns die Evolution mit rund 30 Millionen Zellen zum Riechen in der Nase ausgestattet. 

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