Forschende der Charité Berlin können erstmals Schalter für die Appetit-Regulation im Gehirn bildlich darstellen

Forschende können erstmals Schalter für die Appetit-Regulation im Gehirn bildlich darstellen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité Universitätsmedizin Berlin ist es erstmals gelungen, den entscheidenden Schalter für die Appetitregulation im Gehirn bildgebend und dreidimensional darzustellen.

Das Besondere daran ist, dass der betreffende Rezeptor und die mit ihm in Interaktion stehenden Hormone räumlich gerade einmal eine Größe von wenigen Nanometern aufweisen. Die Auflösung gelang bis zu einer Größe im Bereich von nur 0,26 Nanometer.

Größenverhältnisse

Zur Orientierung: Ein Nanometer verhält sich zu einem Meter wie der Durchmesser einer 1-Cent-Münze zu dem des Erdballs. Der Rezeptor ist also winzig klein.

MC4R: hungrig oder satt

Konkret geht es um den Melanocortin-4-Rezeptor (MC4R), ein Protein, das von einer ganzen Gruppe von Hormonen, sogenannten alpha- bzw. beta-Melanozyten-stimulierenden Hormonen (MSH), aktiviert wird. Diese Hormone werden im Hypothalamus im Zwischenhirn und in der Hypophyse – der Hirnanhangdrüse – gebildet. Ein aktivierter bzw. aktiver MC4R führt zu einem sinkenden Hungergefühl, ein blockierter hingegen zu einem gesteigerten Appetit. Für die Blockade des Rezeptors ist als Gegenspieler zum MC4R ebenfalls ein Protein verantwortlich.

Schon in jungen Jahren: schwer behandelbares Übergewicht

Untersuchungen an den Schaltern der Appetitsteuerung werden seit geraumer Zeit mit Hochdruck durchgeführt. Denn genetische Defekte, die zum Ausbleiben oder einer signifikanten Herabsetzung des Sättigungsgefühls führen, münden häufig bereits in jungen Jahren in die Entwicklung von starkem Übergewicht. Derart verursachtes Übergewicht und Adipositas lassen sich in aller Regel nur schwer behandeln. Gleichzeitig stellt Übergewicht weltweit eines der vordringlichsten Gesundheitsprobleme dar: Experten schätzen, dass mittlerweile nahezu 2,3 Milliarden Menschen übergewichtig sind. Und ihr Risiko ist deutlich erhöht, an Herz-Kreislauf-Störungen und Diabetes zu erkranken oder einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

Die vorliegenden Forschungsergebnisse sind Teil der wissenschaftlichen Suche nach Behandlungsmethoden für genetisch bedingte Fehlfunktionen in der Hunger-Sättigungs-Regulation und somit dem Kampf gegen so entstehendes Übergewicht. In diesem Rahmen untersuchen Experten die Signalketten der menschlichen Gewichtsregulation insgesamt und „Mutationen in für Botenstoffe und Rezeptoren zuständigen Genen“, heißt es in einer Mitteilung der Berliner Charité. Zudem werde daran gearbeitet, mögliche Wirkstoffe zu analysieren, die einzelne Botenstoffe ersetzen könnten.

Vorhandene Medikation: teils starke Nebenwirkungen

Über limitierende Faktoren bei einer bislang schon etablierten medikamentösen Behandlung von krankhaft erhöhtem Hungergefühl sagt Professor Dr. Peter Kühnen vom Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie der Charité: „Bisher sind diese pharmakologischen Interventionen von Nebenwirkungen begleitet. Diese reichen von der Dunkelfärbung der Haut – das Melanocortin-Hormon ist unter anderem auch für die Pigmentierung von Haut und Haaren zuständig – bis hin zu kardiovaskulären Ereignissen.“ Grund dafür ist der bisherige Aufbau der Medikamente. Sie sind nicht ausreichend zielgenau ausgerichtet. Sie sprechen zwar verschiedene Rezeptoren aus der gleichen Familie an, allerdings erfüllen diese auch verschiedene Aufgaben im Organismus.

Die räumliche Struktur des MC4R sichtbar zu machen und sogar die Interaktion mit den betreffenden Hormonen darstellen zu können, ist ein großer Schritt in Richtung einer künftig besseren Behandelbarkeit der genetisch bedingten Fehlregulation von Hunger und Sättigung. Denn wenn die kleinsten Details in ihren unterschiedlichen Wirkweisen entschlüsselt sind und die Mechanismen noch besser verstanden werden, können auch zielgerichtetere pharmakologische Lösungen entwickelt werden.

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