Sättigung hängt bekanntlich von vielen Faktoren ab – von der verzehrten Menge und der damit verbundenen Magenfüllung, von Lebensmitteleigenschaften wie dem Aussehen, Geruch oder der Textur sowie von der Nährstoffzusammensetzung, die wiederum den Blutzuckerspiegel beeinflusst. Neben physiologischen Faktoren spielen aber auch psychologische Faktoren eine Rolle, wie satt wir werden. Dazu zählen etwa Informationen über das jeweilige Produkt (z. B. Kaloriengehalt) sowie das verwendete Geschirr. Aber wie ausgeprägt ist der Einfluss des Geschirrs auf die Sättigung und die Verzehrmenge? Dazu gibt es einige Studien.
In Spanien baten die renommierten Forschenden Betina Piqueras-Fiszman und Charles Spence 45 Personen zu einem Experiment. Sie bekamen einen weißen Plastikbecher mit 125 g kommerziell erhältlichem Erdbeerjoghurt. Der Standardbecher wog nur 20 g, für einen schwereren Becher befestigte man jedoch 75 g Bleigewicht völlig unsichtbar an der Becherunterseite. Die Probandinnen und Probanden sollten jeweils einen der befüllten Joghurtbecher in der Hand halten, die Hälfte begann dabei mit dem leichten Becher, die andere mit dem schweren, der eingefüllte Joghurt war jedoch gleich. Ohne den Joghurt zu kosten, zeigte man ihnen Bilder von gekochten Spiralnudeln, salzigen Crackern, Erdnussbuttercookies und Weintrauben auf einem weißen Teller. Nun mussten die Teilnehmenden angeben, wie viel der gezeigten Lebensmittelportion sie essen müssten, um gleich satt zu werden wie vom Joghurt in ihren Händen. Erst danach kosteten sie den Joghurt und bewerteten dessen Dichte. Am Ende des Experiments bewerteten sie außerdem, welcher Joghurt sie mehr sättigen würde.
Schwere Schüssel – stärker satt
Das Ergebnis sprach Bände: Der gleiche Joghurt wurde von der Mehrheit der Personen aus dem leichten Becher als weniger dicht und weniger sättigend eingestuft. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, signifikant mehr Pasta, Cracker, Cookies und Weintrauben essen zu müssen, um gleich satt zu werden wie vom Joghurt aus dem schwereren Becher.
Die Weisheit mit den Löffeln fressen – oder mehr mit Löffel essen?
In Australien luden Dieuwerke Bolhuis und Russel Keast freiwillige Erwachsene zu einem Experiment an die Deakin University ein. Sie bekamen einmal wöchentlich für vier Wochen nach einem standardisierten Frühstück als Mittagessen Nudeln mit Tomatensauce gereicht. Die Tomatensauce variierte über die vier Mahlzeiten im Salz- und Fettgehalt. Die Probandinnen und Probanden erhielten unkommentiert sowohl einen Löffel als auch eine Gabel und konnten wählen, womit sie lieber aßen. Ihren Hungerzustand bewerteten sie vor dem jeweiligen Essen. Personen, die das Gericht mit einem Löffel verzehrten, tendierten dazu, schneller und mehr zu essen als Personen, die mit einer Gabel aßen. Salz- und Fettgehalt der Sauce beeinflussten hingegen nicht, wie viel gegessen wurde.
Rotes Geschirr: „Komm, iss“ oder „Stopp“?
Bleibt noch die Farbe des Geschirrs als Faktor zu beleuchten. Und hier sticht vor allem die Farbe Rot hervor. Rot bedeutet in der Natur: „Iss mich“ (weil Rot in aller Regel “reif” bedeutet, also reife rote Früchte bzw. Beeren usw.); im Straßenverkehr steht die Farbe hingegen für: „Halt!“ In einer Studie untersuchte man daher, ob ein roter Teller zum Essen animiert oder bremst.
Dafür ließen Forschende aus Deutschland und der Schweiz – Oliver Genschow, Leonie Reutner und Michaela Wänke – freiwilligen Personen einen psychologischen Fragebogen ausfüllen. Auf dem Tisch stand jeweils ein Pappteller mit zehn kleinen Salzbrezeln, wovon sich die Teilnehmenden beim Ausfüllen nehmen durften. Die Farbe des Tellers variierte, manche bekamen einen roten Teller, andere einen blauen, wieder andere einen weißen. Die letzte Frage des Fragebogens lautete, wie gut die Brezeln geschmeckt hatten.
In der Tat hemmte Rot den Brezelkonsum. Personen, die einen roten Teller neben sich stehen hatten, aßen signifikant weniger als Personen, die einen blauen oder weißen bekamen. Die Brezeln schmeckten aber von allen drei Tellern gleich gut.
Geschirr ist mehr als ein visuell attraktives Trägermaterial und Hilfsmittel. Es beeinflusst, wie wir Essen wahrnehmen und wie viel wir verzehren. Zumindest kurzfristig – ob man bei ständiger Verwendung von roten Tellern, schweren Schüsseln und Gabeln weniger isst, sei dahingestellt.
Wie sich die Geschirrfarbe womöglich auf Dessertpräferenzen auswirkt, können Sie hier nachlesen.
Mehr zum psychologischen “Tellergrößeneffekt” und einige praktische alltagstaugliche Tipps und Anregungen rund um “Mindful Eating” gibt es hier.